Patientenbericht zur Psychotherapie bei einer sozialen Phobie

Ein 19-jähriger Patient mit sozialen Ängsten und depressiven Verstimmungen schilderte seine Entwicklung folgendermaßen (an dieser Stelle auch nochmals einen herzlichen Dank für die Erstellung dieses wirklich anschaulichen Berichtes) :

Vor der Therapie

Ich bin vor meiner Therapiezeit fast überall der Außenseiter gewesen, egal ob es in der Schule oder in einem Sportverein war. Die Hauptprobleme waren aber trotzdem eher zu Hause zu finden, da ich dort oft Streit mit meiner Mutter hatte. Das Hauptthema war die Zeit, die ich vor dem Computer verbringe. Meine Eltern waren oft der Meinung, dass es nicht gut für mich sei und ich süchtig sei. Aber wie sollte ich computersüchtig sein, wenn mir selbst vor dem Computer meistens langweilig war und ich am liebsten was Anderes gemacht hätte. Hier hat sich die soziale Angst und das geringe Selbstbewusstsein bemerkbar gemacht, denn auch wenn ich was Anderes machen wollte, ich hatte wenig Kontakt zu anderen Leuten und kam mir in der Nähe Anderer immer minderwertig vor. Es war mir schon länger bewusst, aber ich dachte immer, mit der Zeit würde sich das alles von alleine geben. Dies war aber nicht der Fall und so versuchte ich, mir im Internet Hilfe zu suchen. Diese bestand darin, meine "Symptome" so genau wie möglich bei Google einzugeben und als Ergebnis die goldene Formel für das Leben herauszufinden, die ich nur auswendig lernen bräuchte und dann alle meine Probleme verschwinden würden. Was ich aber fand, waren Foren mit vielen Betroffenen und wenig Leuten, die wirklich Ahnung hatten. Die Leute, die Ahnung hatten, haben immer wieder die selbe Antwort gegeben: "Man soll sich in eine Therapie begeben". In der Theorie wusste ich also, was zu tun war, nur in der Praxis stellte es sich schwieriger heraus, denn ich war noch bei meinen Eltern versichert. So suchte ich also das Gespräch mit meinen Eltern, in dem Sie sogar als erstes das Thema "sich Hilfe suchen" angesprochen haben und ich erleichtert war, dass sie mir dabei helfen würden. Und so suchte mein Vater nach einer geeigneten Praxis für meine Probleme und ein paar Wochen später saß ich das erste Mal mit meinen Eltern zusammen in der Praxis von Frau Dr. Wien in Essen.

Während der Therapie

In der ersten Therapiestunde kam ich zusammen mit meinen Eltern zur Praxis. Während wir mit meinen Eltern zusammen eher organisatorische Dinge besprachen, wurde im zweiten Teil der Sitzung, in dem ich alleine mit meiner Therapeutin sprach, über meine Probleme gesprochen. Wir einigten uns darauf, uns einmal in der Woche zwei Stunden zu sehen. Die ersten fünf Stunden waren die Diagnosestunden, bei denen ich einerseits viel von meiner Therapeutin gefragt wurde, andererseits auch viele Fragebögen ausfüllen musste. Am Ende dieser fünf Stunden konnte die Diagnose gestellt werden. Frau Dr. Wien erklärte mir, dass ich zum einen unter sozialer Angst und zum anderen unter (einer schwachen) Depression litt. Innerhalb der nächsten Therapiestunden wurde mir mit Informationsblättern und Modellen (Teufelskreis, Abwärtsspirale) erklärt, worum es sich dabei genau handelt. Nach den ein bis zwei Erklärungsstunden fingen wir mit dem Training für die soziale Kompetenz an. Dieses ist dazu gut, den Rückstand, den man gegenüber Menschen hat, die sich oft in sozialen Situationen befinden, wieder aufzuholen und soziale Fertigkeiten im Umgang mit Anderen aufzubauen, um so zu einem besseren Selbstvertrauen zu finden. Zu diesem Zweck habe ich Arbeitsblätter bekommen, bei denen ich bestimmte Situationen nach der Schwierigkeit bewerten sollte. Anschließend veranstaltete ich mit der Therapeutin Rollenspiele, um die schwierigsten Situationen trainieren zu können. Normalerweise hätten wir dieses Training erstmal durchgezogen, aber ich befand mich in der Situation, viele Probleme in meinem sozialen Umfeld, besonders in der Schule und zu Hause, zu haben. Daher besprachen wir eine Zeit lang in den Sitzungen nur noch diese Probleme und ich bekam sehr gute Tipps, wie ich es besser machen konnte. Dies war eine Sache an der Therapie, die mir sehr geholfen hat, denn es wurden immer aktuelle Probleme besprochen und die Fragen, die ich normalerweise Google gestellt hätte oder in irgendwelchen Foren gepostet hätte, konnten direkt gelöst werden. Nach einiger Zeit bat mich Frau Dr. Wien außerdem, ein Wochenprotokoll zu erstellen, in dem meine Stimmung den ganzen Tag hindurch bewertet werden sollte. Dies war dazu gut, die Depression in den Griff zu bekommen. Durch die Wochenpläne ging immer hervor, wann sich meine Stimmung verbessert oder verschlechtert hat, und dass Ziel bestand darin, schlechte Stimmung durch positive Aktivitäten zu unterbrechen, um so insgesamt eine besser Stimmung zu bekommen. Geholfen wurde mir auch mit einer Liste positiver Aktivitäten, in der jede Menge Vorschläge gemacht wurden, was man bei schlechter Stimmung machen kann. Nachdem sich meine Stimmung einigermaßen ins gute eingependelt hat, gab es aber nochmal einen Zwischenfall mit meiner Mutter, wozu ich sie in ein paar Sitzungen mitnahm und wir dabei lernen sollten, respektvoll miteinander umzugehen. Außerdem formulierten wir gegenseitig unsere Wünsche, die wir vom Anderen hatten. Nach und nach bewältigte ich so also die Probleme in meinen sozialen Umfeld, so dass wir uns allmählich wieder den Training für soziale Kompetenz widmeten. Dies verlief immer nach dem selben Schema ab: Ich bekam ein Arbeitsblatt mit einem bestimmten Oberthema (zum Beispiel "Sein Recht durchsetzen"), auf dem Situationen zu sehen waren, die ich nach Schwierigkeit bewerten sollte. Danach spielten Frau Dr. Wien und ich die Situationen zum Training nach und ich lernte einzuschätzen, was ich gut gemacht hatte und was ich noch verbessern könnte. Am Ende einer Doppelstunde bekam ich zu dem Blatt dann ein Hausaufgabenblatt, auf dem es ebenfalls Situationen gab, die ich bewerten sollte. Eine dieser Situationen sollte ich dann alleine in der Realität bewältigen und aufschreiben, wie es mir dabei ergangen ist.

Irgendwann waren wir dann mit dem Training für soziale Kompetenz fertig und machten uns auf in die Innenstadt von Essen, in der ich ein paar Übungen durchführen sollte, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Ein Beispiel hierfür: Meine Therapeutin sagte mir, dass ich Rosen verschenken sollte, und ich wusste erst gar nicht, wie ich das überhaupt anstellen sollte. Ehe ich großartig überlegen konnte, wie ich es tun sollte, drückte mir sie die Rosen in die Hand und es ging los. Nach der kurzen Anweisung, dass die Rosen wahrscheinlich besser weggehen, wenn ich freundlich bin und die Leute anlächele (was ich wahrscheinlich vorher aus Anspannung nicht getan habe), verschenkte ich eine Rose nach der anderen. Und die Übung hatten ihren Effekt: Je länger ich mich in der Situation befand, desto geringer wurde meine Anspannung. Diese Übungen haben vor allem den Sinn, dass man sich traut, in Situationen zu gehen, vor denen man eigentlich Angst hat, um mitzuerleben, wie die Angst verschwindet.

Nach dieser Übungsstunde wurde das Ende der Therapie eingeleitet. Dazu muss ich sagen, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt schon seit einiger Zeit viel selbstsicherer fühlte. Am meisten halfen mir die Tipps, die mir meine Therapeutin zu den Situationen in meinem sozialen Umfeld gegeben hat. Ich erlernte einfache Dinge wie Augenkontakt, nicht zu sehr auf sich selber fokussiert zu sein und mich in Gesprächen einzubringen und mich zu verabreden. Dadurch, dass das alles nicht nur pure Theorie war, was mir in den Therapiestunden gesagt wurde, sondern dass es sich in den sozialen Situationen bewahrheitet hat, ist mein Selbstbewusstsein schnell gewachsen. Zuerst habe ich es weniger gemerkt, aber spätestens zu dem Zeitpunkt, wo mir Frau Dr. Wien den gleichen Fragebogen, denn sie mir am Anfang der Therapie gegeben hatte, vorlegte, wusste ich, ich habe sehr große Fortschritte gemacht. Auch mein Umfeld stellte diese Veränderungen fest. Und meiner Meinung nach stärkt das Wissen, Selbstbewusstsein zu haben, das Selbstbewusstsein noch mehr.

Und so ging die Therapie dem Ende zu. Ich war der Meinung, dass ich die meisten Situationen jetzt auch alleine bewältigen kann, und meine Therapeutin sah das genauso. Die Abstände zu den einzelnen Stunden wurden vergrößert, damit sicher gegangen werden konnte, dass sich meine Lage stabil hält. So besuchte ich die Praxis von Frau Dr. Wien das letzte Mal am 18. Juni 2007, wobei es in der letzten Sitzung nochmal darum ging, was ich alles in der Therapie erreicht habe und woran ich einen Rückfall in die alten Verhaltensmuster erkennen könnte.

Insgesamt kann ich sagen, dass die Therapie eine sehr gute Entscheidung war, die ich jederzeit wieder treffen würde. Ich habe Dinge gelernt, die in meinem Leben immer sehr wichtig bleiben werden. Außerdem hat mir die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Wien sehr viel Spaß gemacht und ich bin froh, sie als Therapeutin gehabt zu haben.

Vielen Dank.